Wer kennt es nicht? Sauer auf den anderen zu sein, weil ich nicht sagen kann, was mit mir los ist. Dem anderen nicht nah sein können, weil ich mir im Weg stehe. Den anderen verantwortlich machen dafür, dass ich unzufrieden bin. Dann Angst bekommen, dass unsere Beziehung nicht funktioniert und ich mich trennen muss. Und aus lauter Verlustangst, das eigene Verhalten rechtzeitig wieder zurückzunehmen und alles beim Alten zu lassen.
Wer kennt es nicht, wie schwer es ist, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und wie schlimm es ist, dabei nicht weiterzukommen. Zu wissen, dass ich nur geduldiger sein, nicht so wütend werden und mehr Vertrauen haben muss, um mich besser zeigen und den anderen besser lassen zu können, damit es zwischen uns besser wird. Und wie zermürbend es ist, wenn ich immer wieder vertage, das zu lernen.
Uns mitmenschlich weiterzuentwickeln, beschäftigt uns. Wir kämpfen mit unseren Ängsten und unserem Schmerz. Wir kämpfen damit, wie wir uns zeigen sollen. Wir kämpfen mit der Sehnsucht nach Solidarität und Gemeinschaft und mit dem Gefühl, nicht genug Solidarität und Gemeinschaft zu erfahren, weil wir nicht wissen, wie wir uns vor anderen öffnen sollen, ohne uns bloßzustellen und wieder verletzt zu werden.
Wie wir mit unseren Verletzungen umgehen aber ist entscheidend, weil wir an der Stelle Einfluss darauf nehmen, wie Miteinander aussieht.
Ob wir bereit sind es selbst besser zu machen, bereit sind hinzugehen, wo es weh tut, bereit sind, die Konflikte, nicht zu scheuen, die das mit sich bringt und an uns selbst zu arbeiten, bestimmt über die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Machtverhältnisse, in einer Demokratie wie unserer, spiegeln wider, in was für einer Beziehung wir zu uns selbst stehen, und ob wir ehrlich und mutig genug sind, selbst etwas hin zum Besseren zu wagen, und dafür dem anderen nichts mehr vorzumachen darüber, wie es wirklich in uns aussieht.
Wir könnten aufhören Schuldige zu suchen und stattdessen sagen: Ich wurde in meinem Leben schon oft verletzt. Ich habe Angst mich zu zeigen. Ich will nicht noch einmal enttäuscht werden. Wenn ich mich jetzt einbringe, brauche ich etwas von dir als Mensch. Hör dir meine Probleme an! Signalisiere mir: Ich sehe dich, du bist in Ordnung, du machst das schon! Ich brauche dein Verständnis, auch wenn du dir erstmal nicht vorstellen kannst, dass du meine Probleme hättest, wenn du an meiner Stelle wärst. Ich brauche dein Vertrauen, wenn ich gerade kein Vertrauen in mich habe.
Der Kern politischen Engagements liegt darin, selbst mitmenschlich zu sein in meinen persönlich schwierigen Umständen, damit sich die gesellschaftlichen Umstände ändern. Chancengleichheit und Gleichberechtigung sind immer da, wo Menschen sich die Hand reichen, und die Eigenschaften, die Mitmenschlichkeit möglich machen, bis in die Beziehung tragen. Verantwortung übernehmen heißt, Verantwortung zu übernehmen für den die Entscheidung, Mitmenschlichkeit an mir selbst festzumachen, für den Prozess.
Wenn wir nicht zugewandt und wertschätzend sein können, dann haben wir das nicht gelernt, und dann kennen wir uns selbst nicht. Dann können wir uns nur unterlegen oder überlegen fühlen, und müssen den anderen zu unseren Gunsten abwerten, weil wir nicht anders erfahren können etwas wert zu sein.
Auch wenn wir nicht ändern können, wo wir hineingeboren werden, können wir gemeinsam die Verhältnisse ändern. Menschlich können wir alles, wenn wir es wollen. Da haben wir die gleichen Einflussmöglichkeiten. Das ist sehr gerecht.
Wir könnten andere unterstützen, weil wir wissen, wie stark unser Leben sich verändern, und unsere Welt ins Wanken geraten kann, wenn wir Mitmenschlichkeit hinzufügen, wo sie fehlt. Uns wirklich weiterzuentwickeln, macht im Übergang Angst, und es fehlt an Vertrauen. Wir selbst werden ist nicht leicht. Doch dabei können wir uns helfen. Das verändert alles. Das ist keine Frage des Rechts. Das ist eine Frage der Schönheit. Macht ist Verbundenheit. Macht ist Beziehung. Macht ist Energie. Überall da, wo wir selbst mitmenschlich werden, verändern wir die Umstände.